50 Jahre vhs-Sternwarte Neumünster – Astronomie im Herzen Schleswig-Holsteins

Neumünster hat eine Sternwarte?

Seit 1971 betreibt die Stadt Neumünster eine eigene Sternwarte und fördert so die naturwissenschaftliche Bildung in Neumünster. Auch diese Bilder, wie hier Komet NEOWISE im Jahr 2020, sind ein Ergebnis dieses Engagements. Foto: M. Ludwig

Neumünster hat eine Sternwarte? Viele Hobby-Astronomen in Neumünster haben diese Frage sehr häufig gehört. Warum das Observatorium so lange ein Schattendasein geführt hat, lässt sich aus heutiger Sicht kaum erklären. Die Situation hat sich inzwischen aber grundlegend geändert. Im Herbst 2021 feiert das größte Observatorium Schleswig-Holsteins bereits sein 50-jähriges Bestehen.

Die vhs-Sternwarte ist eine Institution der Volkshochschule Neumünster und besteht bereits seit November 1971. Seit diesem Zeitpunkt finden auf dem Verwaltungsgebäude der DRK-Fachklinik Hahnknüll professionelle Himmelsbeobachtungen, Volkshochschulkurse, Tagungen und viele andere Aktivitäten für Jung und Alt rund um das Thema Astronomie statt.

Die Kuppel der vhs-Sternwarte Neumünster auf dem Dach der DRK-Verwaltung - Foto: Marco Ludwig

Die Kuppel der vhs-Sternwarte Neumünster auf dem Dach der DRK-Verwaltung – Foto: Marco Ludwig

Die größte Sternwarte in Schleswig-Holstein befindet sich im Besitz der Stadt, wird jedoch ausschließlich ehrenamtlich betreut und über Spenden der Neumünsteraner Bürger und Firmen finanziert. Hierbei wird die vhs-Sternwarte unterstützt durch den gemeinnützigen Förderverein Sternwarte Neumünster e. V.

Seit der Gründung des Fördervereins im Jahr 2009 ist es dem Verein und den ehrenamtlichen Sternwartenmitgliedern gelungen, die vhs-Sternwarte zu einer sehenswerten öffentlichen Bildungseinrichtung auszubauen. Mit viel ehrenamtlichem Engagement und der Unterstützung vieler lokaler Handwerker konnte 2010 ein Seminarraum für bis zu 25 Personen gebaut werden. 2011 gelang sogar die Renovierung der Sternwartenkuppel und die Installation eines neuen (gebrauchten) Hauptinstruments, welches früher in der Sternwarte Lübeck zum Einsatz kam. 2019 konnte die vhs-Sternwarte einen Besucherrekord von über 1500 Besuchern aufstellen.

Im gleichen Jahr wurde zudem die Leistung der Neumünsteraner beim Betrieb einer Volkssternwarte sogar durch die Internationale Astronomische Union (IAU) mit der Benennung eines Kleinplaneten auf den Namen (342 000) Neumunster gewürdigt.

Auf einer Internetseite der NASA kann man sich alle Daten zum Kleinplaneten (342 000) Neumünster anschauen. Dort erhält man auch diese Grafik des Sonnensystems, mit der aktuellen Position des Neumünsteraner Kleinplaneten. Grafik: NASA

 

Wie die Mondlandung Neumünster eine Sternwarte brachte

Das 50. Jubiläum der Mondlandung war 2019 besonders für die Neumünsteraner Sternenfreunde ein Grund zur Freude. Ohne das damalige amerikanische Mondlandeprogramm hätte es in Neumünster vermutlich keine Sternwarte gegeben.

Handwerker montieren die Stahlträger für die große Sternwartenkuppel. Foto: W. Erben / Sammlung M. Krebs

Als am 20. Juli 1969 Neil Armstrong und Buzz Aldrin auf dem Mond landeten, wurde dies auch intensiv von Neumünsteraner Hobby-Weltraumforschern verfolgt. Der Wettlauf zum Mond zwischen den USA und der Sowjetunion hatte auch hierzulande viele Menschen in den Bann gezogen. Einige so sehr, dass sie selber nach den Sternen griffen. Alles begann in den 1960er Jahren mit einem Volkshochschulkurs „praktische Astronomie“. Dozenten erläuterten interessierten Hobbyforschern die Grundlagen der Astronomie. Ein eigenes Fernrohr hatte die Gruppe jedoch nicht. Diese waren in den 60er Jahren fast unerschwinglich. Alles änderte sich jedoch im Jahr der Mondlandung, als Karstadt der Gruppe ein eigenes kleines Teleskop spendete. Nun wollte man dafür auch einen festen Standort finden.

Im November 1971 wird die Sternwarte der Volkshochschule Neumünster feierlich eingeweiht. Foto: W. Erben / Sammlung M. Krebs

Im November 1971 wird die Sternwarte der Volkshochschule Neumünster feierlich eingeweiht. Foto: W. Erben / Sammlung M. Krebs

Dipl.-Ing. Horst Bender kam dabei die Idee mit der ehemaligen Marinefunkstation Hahnknüll. Auf dem dortigen Hauptgebäude, das zu jener Zeit als städtisches Seniorenheim genutzt wurde, gab es einen Flakturm, der ideal für astronomische Beobachtungen schien. Die Stadt stimmte zu und erteilte die Genehmigung zum Betrieb der „Sternwarte der Volkshochschule Neumünster“. Im November 1971, als das Apollo-Programm der USA immer noch auf Hochtouren lief, konnte die Sternwarte endlich eingeweiht werden.

 

Die Klebebandastronomen

Der Komet West im Jahr 1976 aufgenommen von Bernd Schatzmann und Franz Haar

Der Komet West im Jahr 1976 aufgenommen von Bernd Schatzmann und Franz Haar

Die moderne und leistungsstarke Beobachtungstechnik unter der Neumünsteraner Sternwartenkuppel zog Anfang der 1970er Jahre viele Amateurastronomen an. Gerade die jüngeren unter ihnen waren gerne bereit, sich mit einem 10“ Newton und einer 8“ Schmidt-Kamera ganze Nächte um die Ohren zu schlagen. Dazu gehörten die begabten Hobbyfotografen Franz Haar und Bernd Schatzmann.

Da die Astrofotografie das wohl Schwierigste ist, was man mit einer Kamera anstellen kann, mussten die beiden bei ihren Fotoprojekten ein gewisses Improvisationstalent an den Tag legen. Als 1976 völlig überraschend der helle Komet West am Morgenhimmel auftauchte, befestigten sie mit Hilfe von Klebeband eine Dachlatte an dem großen Fernrohr, um am Ende der Dachlatte eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv zu befestigen. So konnten sie nachgeführte Aufnahmen mit mehreren Minuten Belichtungszeit gewinnen.

Als Sternwartenleiter Horst Bender dies sah, betitelte er die beiden Fotografen als „Klebebandastronomen“. Ihre Bilder von Komet West wurden aber umgehend von einer Fachzeitschrift publiziert. Seither ist die Astrofotografie ein wichtiger Aufgabenbereich der Neumünsteraner Sternkieker.

 

Modernisierung nach 25 Jahren

Im November 1996 konnte man mit einigem Stolz auf 25 Jahre Sternwarte zurückblicken. Allerdings war auch ein technischer Stillstand eingetreten, der nun durch Modernisierungsmaßnahmen behoben werden sollte. Sternwartenleiter Horst Bender initiierte eine Spendenaktion, an der sich zahlreiche Neumünsteraner Unternehmen beteiligten.

Mit Hilfe dieser Spenden war es möglich, die Optik für ein neues Hauptinstrument, einen 16-Zoll-Newton-Reflektor, zu beschaffen. Zudem wurde in eine der ersten astronomischen Digitalkameras, eine SBIG ST-7 investiert, was damals extrem fortschrittlich war. Bei Beobachtungen erwies sich die neue 16“ Optik aus dem Hause Pegasus als sehr gut. Bei Fotografien zeigten sich jedoch Unschärfen, die wohl auf die Überlastung der Montierung zurückzuführen waren. Der Spiegel wurde daher nach einem Jahr abgebaut und als mobiles Dobson-Teleskop weiterverwendet.

 

Der steinige Weg ins 21. Jahrhundert

Der neue Sternwartenleiter Erhard Schmidt hatte sich ab 2002 einigen Herausforderungen zu stellen, denen er zusammen mit der AG-Sternwarte begegnen wollte. Mitgliederschwund, Nachwuchssorgen, fehlende Angebote für die Öffentlichkeit und ein fast schon desolater Zustand von Räumen und Technik erschwerten die Sternwartenarbeit.

Besuchergruppen können seit 2011 regelmäßig die vhs-Sternwarte besuchen. Foto: Achim Banck

Besuchergruppen können seit 2011 regelmäßig die vhs-Sternwarte besuchen. Foto: Achim Banck

Um zumindest die finanzielle Situation der Sternwarte zu verbessern war die Gründung eines Fördervereins geplant, was damals leider nicht realisiert werden konnte. Im Sommer 2008 gab er jedoch den Rücktritt von seinem Ehrenamt bekannt. In einer denkwürdigen Sitzung der Astronomie AG musste die Leiterin der Volkshochschule die dauerhafte Schließung der Sternwarte verkünden. Nach intensiven Diskussionen wurde dann aber Marco Ludwig zum neuen Sternwartenleiter ernannt. Es war jedoch klar, dass zur Rettung der Sternwarte zukünftig alle Beteiligten Kraftanstrengungen unternehmen müssten. Künftig sollte es ein erweitertes Kursangebot, Öffentlichkeitsarbeit und renovierte Räumlichkeiten geben. 2009 wurde endlich der ersehnte Förderverein gegründet und mit den ersten Spenden brachen tatsächlich neue Zeiten an.

 

Ein Neuanfang auf allen Ebenen

2009 wurde der Förderverein Sternwarte Neumünster gegründet. Er sammelt Spenden und greift der unterfinanzierten Bildungseinrichtung unter die Arme. Hier der aktuelle Vorstand: Jürgen Kahlhöfer, Stefan Bruns, Meltem Tischmann, Marco Ludwig

Mit der neuen Leitung wurde aus der AG-Sternwarte die Astronomie AG. Die Mitglieder verstehen sich ganz offiziell als „Sternkieker“. Auch die Sternwarte bekam nun einen neuen Namen: Die vhs-Sternwarte Neumünster.  Mit Unterstützung des neu gegründeten Fördervereins Sternwarte Neumünster sollte nun auch das erste große Projekt in Angriff genommen werden:

Nach dem Abriss diverser Provisorien entstand 2010 mithilfe vieler Förderer ein neuer Seminarraum für bis zu 25 Besucher. Fortan nahmen die Aktivitäten an der vhs-Sternwarte weiter Fahrt auf.

Regelmäßig waren seither Besuchergruppen wie Schulklassen oder Kindergärten in der Sternwarte anzutreffen. Doch das nächste Projekt stand schon in den Startlöchern. An der Sternwarte Lübeck sorgten die Spenden zweier Stiftungen für ein neues Hauptfernrohr. Das alte Gerät, ein Newton

Im Seminarraum der vhs-Sternwarte finden regelmäßig Volkshochschulkurse zu astronomischen Themen statt. Foto: M. Ludwig

Im Seminarraum der vhs-Sternwarte finden regelmäßig Volkshochschulkurse zu astronomischen Themen statt. Foto: M. Ludwig

Spiegelteleskop mit 19 Zoll Hauptspiegeldurchmesser und einem Gewicht von rund einer Tonne, wurde nun nicht mehr gebraucht. Der Lübecker Torsten Lohf schlug vor, das Gerät nach Neumünster zu geben. Er war der Auffassung, das Gerät wäre in der größten Sternwarte des Landes perfekt aufgehoben.

Zu einem Freundschaftspreis, der von einem anonymen Stifter übernommen wurde, veräußerten die Lübecker Kollegen das eindrucksvolle Großfernrohr. Die Neumünsteraner nahmen die Gelegenheit zum Anlass, auch gleich den Innenraum der Sternwartenkuppel von Grund auf zu sanieren. Am 5. November 2011 fand die Einweihung des neuen Fernrohrs und die Feier zum 40-jährigen Bestehen der vhs-Sternwarte statt.

 

Ein Tor zu den Sternen

Seit über 50 Jahren werfen Astronomen auf dem Gelände der heutigen DRK-Fachklinik Hahnknüll einen Blick auf die unendlichen Weiten des Weltalls. Inzwischen haben aber auch mehrere Generationen von Astronomen ihre Spuren auf dem einstigen Flakturm der Marinefunkstation Hahnknüll hinterlassen.

Getrieben von der Faszination Mondlandung taten sich viele Neumünsteraner zusammen, um dieses außergewöhnliche Observatorium zu errichten. Jede Generation hat dabei die Ausstattung und die Möglichkeiten der vhs-Sternwarte nach aktuellen Anforderungen erweitert.

Zweifellos galt es dabei auch viele Herausforderungen zu meistern. Die drohende Schließung im Sommer 2008 hat dazu geführt, dass die vhs-Sternwarte nun als öffentliche Bildungseinrichtung arbeiten kann. Inzwischen engagieren sich rund 30 Sternkieker aus ganz Schleswig-Holstein in der Astronomie AG. Die vhs-Sternwarte fungiert nicht mehr nur als einfache Beobachtungsstation, sie ist zu einem bedeutenden Kompetenzzentrum auf dem Gebiet der Astronomie im Lande geworden. Inzwischen haben zahlreiche engagierte Sternkieker und viele Neumünsteraner Betriebe für eine passende Ausstattung gesorgt. Um erfolgreich Bildung zu gestalten, braucht es aber mehr als nur Räume und Technik.

Es braucht engagierte Ehrenamtliche, die für ihre Sache brennen und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse gerne weitergeben möchten. Immer seltener hören die Sternkieker daher heute die Frage, ob Neumünster eine Sternwarte habe. Wenn sie dennoch zu hören ist, antworten viele von ihnen gerne: „Ja, und der Besuch lohnt sich!“.

Polarlicht lässt sich in seltenen Fällen auch über Schleswig-Holstein beobachten, wie hier am Einfelder See. Foto: M. Ludwig

Polarlicht lässt sich in seltenen Fällen auch über Schleswig-Holstein beobachten, wie hier am Einfelder See. Foto: M. Ludwig

Autor: Marco A. Ludwig

 

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vhs-Sternwarte Neumünster
Astronomie im Herzen Schleswig-Holsteins
Von Sternwartenleiter Marco A. Ludwig
108 Seiten, gebunden,
mit vielen beeindruckenden Fotografien des Nachthimmels über Neumünster
24,80 €

ggf. zzgl. Versandkostenpauschale von 3,00 €
Erhältlich an der vhs-Sternwarte, der Buchhandlung Krauskopf oder bei der Volkshochschule Neumünster

ISBN 978-3-9823464-9-6

Weitere Informationen unter
www.sternwarte-nms.de,
E-Mail: buch@sternwarte-nms.de,
Telefon: 0162 2137065

Unsere schönsten Bilder aus 50 Jahren: