Neumünster ist im Weltall – Internationale Astronomische Union benennt Kleinplaneten

„Es ist ein kleiner Brocken im Weltall, aber eine große Ehre für unsere Stadt.“ (Marco Ludwig)

Vor 50 Jahren begannen die Arbeiten zur Errichtung der vhs-Sternwarte Neumünster. Nun ehrt die Internationale Astronomische Union das Engagement jener Menschen, die sich seither der astronomischen Bildung verschrieben haben. Der Kleinplanet mit der bisherigen Bezeichnung „2008 RV26“ heißt nun offiziell „342000 Neumünster“. Neumünster ist damit nun auch im Weltall.

 Im Internet stößt man immer wieder auf dubiose Anzeigen von Firmen, die angebliche Namensrechte an Sternen oder anderen Himmelskörpern verkaufen. Tatsächlich ist weltweit aber nur eine international anerkannte Organisation für die Benennung von Himmelskörpern zuständig: Die Internationale Astronomische Union (IAU) mit Sitz in Paris. Eine der bekanntesten Entscheidungen der IAU hat z.B. im Jahr 2006 dazu geführt, dass Pluto der Planetenstatus aberkannt wurde. Heute gibt es nur  noch acht offizielle Planeten, und Pluto gehört zur neuen Kategorie der Zwergplaneten.

Die Internationale Astronomie Union ist die einzige Organisation weltweit, die über die Benennung von Himmelskörpern entscheiden darf. https://www.iau.org

Namensrechte an Sternen oder Planeten sind aber auch bei der IAU nicht käuflich. So erhalten die meisten Objekte, die von Astronomen aufgespürt werden, erst einmal eine Nummer. Die Entdecker z.B. eines Kleinplaneten bzw. Asteroiden können dann Vorschläge für die Benennung eines solchen Himmelskörpers einreichen. Oftmals werden Himmelskörper daher zu Ehren ihrer Entdecker mit deren Namen versehen. Manchmal werden aber auch andere Bezeichnungen, wie z.B. der Name einer Stadt, die sich um die Astronomie verdient gemacht hat, verwendet.

Für Marco Ludwig, der seit 2008 ehrenamtlich die vhs-Sternwarte Neumünster leitet, erfüllt die Stadt an der Schwale dieses Kriterium. Aber nur wenigen Städten in Deutschland ist diese Ehre bisher zuteil geworden, und wie sollte Neumünster so etwas gelingen?

Praktisch, wenn man da gute Kontakte zu anderen Astronomen, wie den bekannten Astrophysiker und Buchautor Dr. Erik Wischnewski, hat. Im Jahr 2012 hatte die IAU den Kaltenkirchener auch mit der Benennung eines Kleinplaneten geehrt. Sein Buch „Astronomie in Theorie und Praxis“ gilt als das führende Fachbuch im deutschsprachigen Raum und enthält zudem auch zahlreiche astronomische Fotos aus Neumünster. „Wischnewski war von meiner Idee, einen Kleinplaneten auf den Namen Neumünster zu taufen, sofort begeistert“, so Ludwig. Wischnewski nahm daher Kontakt zu einem der weltweit  erfolgreichsten Entdecker von Kleinplaneten, Wolfgang Ries aus Österreich, auf. Auch Ries gefiel die Idee, und gemeinsam tüftelten die drei einen Antrag zur Benennung eines von Ries im Jahr 2008 entdeckten Kleinplaneten aus. Bisher trug dieser die amtliche Bezeichnung „2008 RV26“.

Der Antrag an die Internationale Astronomische Union musste auf Englisch verfasst sein und lautete wie folgt:

“The German city Neumünster has supported astronomical education since 1969. Currently they operate an observatory that offers astronomical courses and public observing. The observatory focuses on education.“

Die IAU, die längst nicht jedem Antrag folgt,  hat nun positiv entschieden und der Kleinplanet (engl. Asteroid) 2008 RV26 heißt nun 342 000 Neumünster

Datenblatt des Minor Planet Center am JPL über den Asteroiden 342000 Neumünster. Bild: NASA/JPL

 Man kann auf der Internetseite des JPL der NASA alle wichtigen Informationen zu diesem Kleinplaneten einholen: https://ssd.jpl.nasa.gov/sbdb.cgi#top

Aber auch in zahlreichen anderen Datenbanken lassen sich Informationen über 342000 Neumünster einholen: https://en.wikipedia.org/wiki/Meanings_of_minor_planet_names:_341001–342000#000

So erfahren wir z.B., dass sich der Kleinplanet im sog. Hauptasteroidengürtel zwischen den Planeten Mars und Jupiter befindet. Für einen Umlauf um die Sonne benötigt er ca. 3,5 Erdenjahre.

Seine Umlaufbahn ist 172 Millionen Kilometer von der Erdbahn entfernt, zur Zeit befindet er sich aber  jenseits der Sonne in rund 500 Millionen Kilometer Entfernung. Mit ca. einem Kilometer Durchmesser ist er ungefähr so groß wie die Neumünsteraner Innenstadt.

Der Kleinplanet (Asteroid) 342000 Neumünster befindet sich auf einer Umlaufbahn zwischen den Planeten Mars und Jupiter. Bild: NASA/JPL

Sein Entdecker, Wolfgang Ries, ist Amateur-Astronom. Das Teleskop in seiner Privatsternwarte ist fast so groß wie das Neumünsteraner Teleskop. Direkt sehen kann man Kleinplaneten damit aber nicht. Sie sind so lichtschwach, dass man sie nur fotografisch mit langer Belichtungszeit aufspüren kann. Dazu braucht man aber auch einen sehr klaren, dunklen Himmel, den wir über Neumünster leider nicht haben. Außerdem besitzt die Sternwarte auch keine astronomische Kamera mit der benötigten Leistungsfähigkeit.

Aktuelle Bilder von 342000 Neumünster stehen uns leider momentan auch nicht zur Verfügung. Von der Erde aus betrachtet, steht er in der Nähe der Sonne und befindet sich nachts unter dem Horizont. In einem halben Jahr möchte der Kleinplanetenjäger Wolfgang Ries für die Neumünsteraner nochmals auf die Jagd gehen und ein aktuelles Foto von 342000 Neumünster machen.

So freuen sich die Neumünsteraner Amateurastronomen derzeit enorm über diesen Erfolg. „Es ist eine Ehre für alle Hobbyforscher und Förderer der vhs-Sternwarte. Im Laufe der letzten 50 Jahre haben sich unzählige Menschen und zahlreiche Betriebe am Erhalt und Ausbau der immer noch größten Sternwarte in Schleswig-Holstein beteiligt. Die Benennung durch die IAU macht deutlich, dass solches Engagement für naturwissenschaftliche Bildung Vorbildcharakter hat“ sagt Sternwartenleiter Ludwig.

(v.l.n.r.) Oberbürgermeister Dr. Olaf Tauras, Stadtpräsidentin Anna-Katharina Schättiger, Sternwartenleiter Marco Ludwig und vhs-Chef Dr. Björn Otte mit dem wissenschaftlichen Datenblatt des Kleinplaneten 342000 Neumünster. Foto: Kahlhöfer (vhs-Sternwarte)

Neumünster ist allerdings nicht der einzige Schleswig-Holsteiner Himmelskörper im Weltall. Die Nachforschungen der vhs-Sternwarte haben ergeben, dass es auch Kleinplaneten mit den Namen Flensburg, Schleswig, Holstein und sogar Helgoland gibt. Kiel oder Berlin sucht man jedoch vergebens.

Rundbrief des Minor Planet Center vom 6. April 2019 zur Benennung neuer Kleinplaneten (Seite 6: Neumünster): https://minorplanetcenter.net/iau/ECS/MPCArchive/2019/MPC_20190406.pdf?fbclid=IwAR0GdighvpC-YyZmHAHmmIivYwaV1Lt-ejV_EcukTfCCjpXJ_Tn6S1-pev4